Film-Blog.tv meint:
Atom Egoyan biographischer Krimi „Devil’s Knot“ aus 2013 basiert auf dem gleichnamigen Buch von Mara Leveritt aus 2002. Der Film nach einer wahren Begebenheit erzählt den vorurteilsbestimmten Prozess gegen die „West Memphis Three“; diesen drei Teenagern wurde dreifacher Kindsmord vorgeworfen. Egoyan zeigt plastisch, wie die Vorurteile der Gesellschaft zu einer Verurteilung führen, die Indizien und andere Verdächtige ignoriert. Mit überzeugendem Schauspiel und einer dichten Atmosphäre arbeitet der Film heraus, worin die wirkliche Schuld der Verurteilten lag: sie verstießen gegen gesellschaftliche Konventionen einer Kleinstadt. Die authentische Inszenierung macht diesen Film sehenswert.
Den Beitrag verfasste unser Autor Peter Schrandt.
Als 1993 die drei achtjährigen Jungen Stevie Branch, Christopher Byers und Michael Moore am Devil’s Den bestialisch ermordet werden, erschüttert dies die Gemeinde bis ins Mark. Es gibt mehrere Verdächtige, doch die Justiz hat vorab entschieden, dass die Jugendlichen Jason Baldwin und Jessie Misskelley Jr. um ihren „Anführer“ Damien Echols die Täter sein müssen. Das Interesse der Verdächtigen für das Okkulte und Metal interpretieren die Strafverfolger als Satanismus und entscheiden, dass Menschenopfer ein zwingend logischer nächster Schritt sind.
Damien verneint, dass er ein Satanist ist. Sein Interesse gelte der Wicca-Religion. Das hilft dem jungen Verdächtigen nicht, denn die Menschen bei Gericht haben ihn vorverurteilt. Sein Weltbild entspricht nicht ihrem, und das ist ihnen Grund genug, ihn und seine Freunde als Mörder zu sehen. Beweise und Geständnisse bedarf es ihnen nicht.
Die Spur eines blutverschmierten Unbekannten, der kurz vor dem Mord auftauchte, wird nicht verfolgt, und die Polizei verliert wichtige DNS-Spuren. Die stundenlangen Verhöre werden überwiegend nicht dokumentiert, Zeugen und Verdächtige werden unter Druck gesetzt und eingeschüchtert. Ein junges Mädchen sagt im Zeugenstand falsch gegen die Beschuldigten aus, und die Jury übersetzt in das erwünschte Urteil „schuldig“. Als Beweismittel werden okkulte Bücher aus dem Besitz der Jugendlichen gewertet. Damien Echols wird zum Tod durch eine Barbituratspitze verurteilt, Jason Baldwin und Jessie Misskelley Jr. erhalten eine lebenslange Haftstrafe ohne Bewährung.
Eine Reihe von Ungereimtheiten bleiben offen, unter anderem ein Verdacht gegen den Stiefvater von Stevie. Seine Mutter und der Privatdetektiv Ron Lax glauben nicht an die Schuld der Verurteilten, doch die Justiz verbleibt bei der Bestätigung des Vorurteils.
Einblendungen am Ende des Films vermitteln, dass die Todesstrafe gegen Damien Echols ausgesetzt wurde und neue Indizien nach achtzehn Jahren zur Entlassung der drei Männer führten. Sie blieben dennoch verurteilte Straftäter.
Im Südosten der USA ist das Weltbild tendenziell sehr konservativ, vor allem in ländlichen Regionen. Religion und die Familie sind sehr tief verwurzelte Grundwerte; abweichende Weltsichten und Lebensmodelle wie Homosexualität finden bei Konservativen keine Akzeptanz.
Die Beschäftigung mit dem Okkulten, wie sie die Pubertät häufig mit sich bringt, ist mit tradierten Sichtweisen im Bible Belt nicht vereinbar. Auch das Hören von Metal entspricht nicht der sozialen Norm (das ist übrigens Country, gerne christlicher Prägung). „Glaubst Du an Gott?“, wird Damien bei der ersten Vernehmung durch die Polizei befragt; und dies ist bereits die Gretchenfrage.
Die Bildqualität ist einwandfrei und vermittelt Atmosphäre auch über das Farbklima. Das ruhige Gerichtsdrama verzichtet auf wummernde Soundeffekte, die Dialoge sind klar verständlich aufgenommen. Wer die Originalversion schaut, hört bei manchen Akteure „Southern“. Wer das Südstaaten-Englisch nicht gewohnt ist, wird sich etwas einhören wollen.
Die Südstaatenatmosphäre mit Single wide Trailern, Trucks, Sweet Tea und Schaumstoff-Dosenhaltern liefert der Film mit. Als eine Polizistin die Ermittlungen im Bojangle’s-Schnellrestaurant aufnimmt, nutzt sie dafür den Drive thru-Schalter. „Only in the south“, kommentierte die dort beheimatete Abteilung von film-blog.tv die Szene.
Senator Filmverleih präsentiert „Devil’s Knot“ ab dem 12. Dezember 2014 auf Blu-ray Disc™, DVD und als VoD.
Das Rezensionsexemplar wurde von der Senator Home Entertainment GmbH zur Verfügung gestellt. Wir bedanken uns herzlich.
Originaltitel: Devil’s Knot
Land / Jahr: USA / 2013
Genre: Krimi, Drama
Darsteller: Mireille Enos: Vicki Hutcherson; Reese Witherspoon: Pam Hobbs; Stephen Moyer: John Fogelman; Colin Firth: Ron Lax; Dane DeHaan: Chris Morgan; Kevin Durand: John Mark Byers; Elias Koteas: Jerry Driver; Amy Ryan: Margaret Lax; Bruce Greenwood: Richter David Burnett; Alessandro Nivola: Terry Hobbs; Matt Letscher: Paul Ford; Amber Chaney: Older Bojangles Employee; Kristoffer Polaha: Val Price; Wilbur Fitzgerald: Tom; Collette Wolfe: Glori Shettles; Martin Henderson: Brent Davis; Judd Lormand: WMPD Desk Officer
Regie: Atom Egoyan
Drehbuch: Paul Harris Boardman (Drehbuch), Scott Derrickson (Drehbuch), Mara Leveritt (Buch)
Produzenten: Paul Harris Boardman, Elizabeth Fowler, Clark Peterson, Richard Saperstein, Christopher Woodrow
Kamera: Paul Sarossy
Schnitt: Susan Shipton
Musik: Mychael Danna
FSK: 16
Blu-ray Disc™
Laufzeit: ca. 114 Min.
Bildformat: 1,77:1 / 16:9
Tonformat: DTS-HD 5.1
Sprachen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Extras: Trailer, Wendecover
Webseite zum Film: Devil’s Knot